Joachim Völkner
Herr K. ist unterwegs

Juli wars und heiß, gern flüchtete sich da der Kunstfreund in die kühle Aura der Galerien. Die große Goltzsche-Schau war zu dieser Zeit lange vorüber, auch die Scherben von Troja hatte unser Freund schon hinter sich und kürzlich sah und tagträumte er die wunderschönen Bilder und Objekte von Zabka. Nun aber mühte er sich auf einen neuen Weg: fast gleichzeitig offerierten zwei Berliner Maler einen kleinen Saal voll Bilder; Böhme und Tessmer, und unser Kunstfreund hatte einen Nachmittag lang mit beiden zu tun. – Aufmerksam sah er sich ihre Bilder an, erst die des einen, dann, nach einer UBahnfahrt, die des anderen. Danach setzte er sich an die Spree unter einen Baum auf eine Bank und dachte nach.

Beide, B. und T., haben ihre Liebhaber, die wie immer in solchen Fällen nur ihren Meistergelten lassen, und alles andere belächeln. Herr K. gehörte keinem der Lager an, also konnte er unbelastet und objektiv seine Meinung finden. Am Ufer sah er zwei Angler, der eine fing einen großen Fisch, der andere einen kleinen. „Der eine hats, der andere nicht“, sagte Herr K. Der eine, der ist, wie er ist, und kann nicht anders, der andere sehr wohl; dieser eine malt, was er ist, der andere malt, was er sein möchte; der eine stapelt seine Steine zur ebenen Erde, der andere etwas höher. Hier, beim ersten, ist alles tiefempfunden, archaische, fast barbarische Frauenkörper sinds, deren lehmartige erdhafte Tonigkeit an die urige prometheische Erschaffung des Menschen erinnert, ebenso urhaft und unmittelbar gemalt; da stehen sie denn, diese Körper in der Dämmerung des Seins, unschuldig, schemenhaft, ausgeliefert den Mächten, aber groß und gewaltig in ihrer Menschlichkeit und eigentlich doch nicht zerstörbar. Der große Schatten kam über sie, und sie müssen bleiben. Im selben weichenden Licht scheinen auch die Äpfel auf dem Tisch, die Schüsseln, die Krüge, ebenso die Dächer, die Häuser, die Bäume, die Himmel. Alles im letzten Licht vor der Dunkelheit des Lebens, einmal noch glüht alles auf, der letzte stumme Augenblick vor der großen Schwärze. Doch alles hat die nötige Kraft und die Wärme von Menschen, daß man glauben kann an die Bewährung im Dunkel und an den Morgen danach.

Anders die anderen Bilder, da ist mit Erhellung nicht zu . rechnen, eine mondäne Müdigkeit beherrscht die Szene, eine Hingabe an die Unlust die Batterien sind leer, und so muß die Idee dekoriert werden im Strahl einer sterbenden Taschenlampe. Der Bild-Raum ist hier eine Probebühne, die Szenerie voll drapierter Gewolltheit. Beim Malen ist da zuviel Kalkül im Spiel, Absicht von Form. Die Inhalte sind eiskalt geplant und ungenügend empfunden, die Lösungen daher nicht überzeugend, was aber in dem bildfüllenden bzw. bildtarnenden schwarzen Gemauschel schwer zu überprüfen ist. Am auffallendsten zu erkennen ist der Mangel noch an den Körpern der „Knaben“. Da aber das Ärmchen ach! auf einer Marmorsäule ruhet, steigt schwüle Melancholie zur Decke und lenkt davon ab. Fast meint man, aus den Bildern verbotene Düfte zu riechen, leises Seufzen zu hören, oder ein klebriges Rascheln von Palmwedeln. Auch sieht ja das Ganze so ausgesprochen danach aus, als müsste um die Gemälde herum ein schneeweißmarmorner Salon errichtet sein, wo in elfenbeinernen Krügen die Palmen säuseln…

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